Donnerstag, 28. August 2008

Das Internet im kalten Krieg

Der Georgien-Konflikt zeigt vor allem eines, so ganz ist der kalte Krieg nicht überstanden. Die Staatsmächte verschanzen sich hinter einem kalten Lächeln und haben die Zeiten der nuklearen Aufrüstung noch nicht vergessen. Echte Demokratie befindet sich im besten Fall in einer Alpha-Phase und der russische Bär zeigt, dass er so lammfromm nicht ist. Ohne in Panik zu verfallen werden Überlegungen laut Russland zu isolieren. Vereinzelt werden Befürchtungen geäußert, das es doch zu einem ernsthaften Konflikt kommen kann. Die österreichische Band STS sang schon 1985 in „kalt und kälter“:

„Der Chef vom Kreml raucht a Camel und trinkt dazu a Coca Cola
Der Cowboy in Amerika liebt Krimsekt und frisst Kaviar
Doch wir wissen, wenn die zwei sich streiten, druckt einer auf den Knopf
Und die Bomb'n fallt mit Sicherheit uns ohne Warnung auf den Kopf“

Und tatsächlich stellt sich die Frage, ob es wirklich einemal zu einem nuklearen Schlagabtausch kommen könnte. Oft wird – allerdings fälschlicherweise – behauptet, die Entwicklung des Internets hätte dem kalten Krieg Rechnung getragen, indem es als ausfallsicheres Kommunikationssystem in Zeiten von Atomkriegen den Kontakt zwischen Befehlshabern und Truppen sicherstellen sollte. Aber das ist nicht richtig.

Die eigentlichen Gründe waren banalerer Natur. Die ARPA, das U.S. Department of Defense Agency, war Mitte der 60ger Jahre mit allen amerikanischen Eliteuniversitäten verbunden. Dazu gab es einen Raum, in dem Terminals eines jeden Universitäts-Großrechner standen. Für jedes Terminal gab es eine eigene Loginprozedur, und jedes Programm, das auf einem Terminal lief, konnte auch nur auf diesem einen laufen. Es gab keinen Austausch zwischen diesen Computern, mit dem Ergebnis das Programme und Prozeduren unabhängig von einander von verschiedenen Universitäten umgesetzt wurden. Was für eine Ressourcenverschwendung! Das dachte man sich auch in der ARPA und rief eine Ausschreibung aus. Namentlich verantwortlich war J. C. R. Licklider, der heute als einer der Väter des Internets bekannt ist. Das Stanford Research Institute (SRI) erhielt den Zuschlag das neue Netz zu spezifizieren. In der Kommunikation war bisher nur der leitungsorientierte Informationsfluss bekannt, das neue Netz sollte aber eine paketorientierte Übertragung unterstützen, wie sie von Paul Baran und Donald Watts Davies erdacht wurde. Ein Problem war, das die Computer der Universitäten von verschiedenen Herstellern kamen und unterschiedliche Bedienung erforderten. Auch für den Datenaustausch hatte jeder sein eigenes Süppchen gekocht. Die Lösung waren die IMPs. Eigene kleinere Rechner, die als Zwischenstation die Kommunikation zwischen Computer und Telefonleitung übernahmen. Die IMPs waren die Vorläufer heutiger Router. Die Konstruktion der IMPs ging an Bolt, Beranek and Newman (BBN). Als einer der Hauptarchitekten legte bei BBN Robert E. Kahn die Struktur des Netzes fest. 1969 wurde der erste IMP ausgeliefert und im selben Jahr ging das ARPAnet, wie es damals hieß, mit vier Knotenpunkten online. Ab diesen Zeitpunkt konnten die Computer der UCLA, der SRI, der University of California in Santa Barbara (UCSB) und der University of Utah Daten miteinander austauschen. 1971 waren bereits 14 Knoten online und das Netz wuchs um einen Knoten pro Monat. Ray Tomlinson erfand die user@host-Konvention und implementierte den ersten Mailserver in das ARPAnet. Zu der Zeit nahm auch das Konzept des Ethernets Gestalt an und wurde von Bob Metcalfe, dem späteren Gründer von 3Com, in einer Doktorarbeit umrissen. Da es zu dieser Zeit mit dem SATNET und dem Radionet zwei weitere Netz gab, mit denen eine Verbindung hergestellt werden sollte, entwickelten Bob Kahn und Vint Cerf das TCP-Protokoll. Weitere Standardisierungen ermöglichten die direkte Anbindung neuerer Computer über Netzwerke an das Internet. TCP-IP-Stacks für DOS wurden entwickelt und Ethernet war machte die Vernetzung von PCs und Großrechnern leicht. Immer mehr Dienste fanden ihren Weg ins Netz, wie Usenet, FTP und IRC. 1990 markiert einen besonderen Zeitpunkt: Das ARPAnet wurde offiziell abgeschaltet und Tim Barners Lee erfand das World Wide Web (WWW). Endlich konnten Inhalte bequem mit einem Browser abgerufen werden. Das Zeitalter des „Internet für alle“ wurde eingeläutet.

Und wie war das mit dem Atomkrieg? Tatsächlich gab es diese Überlegungen. Diese betrafen aber nicht das ARPAnet. Festgehalten wurden sie in der RAND-Studie zur sicheren Kommunikation über Telefonleitungen während eines Atomkrieges. Diese Überlegungen wurden erst später für das Internet übernommen. Aber weniger für den Fall eines Atomkrieges selbst, als für eine höherer Robustheit gegenüber Leitungsschwankungen und Ausfällen von Übertragungsknoten. Dennoch hält sich dieses Gerücht hartnäckig und wird auch von etablierten Medien verbreitet. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, das die Arbeit von Licklider, Cerf, Baran, Davies, Kahn, Postel , Crocker, Lee und vielen anderen dafür gesorgt hat, das Sie diese Zeilen lesen können. Sollte es aber dennoch der berühmte Film „The Day after" in die Realität schaffen, so wird das Internet weiter funktionieren. Und das Gerücht wird der Wahrheit ein Stückchen näher kommen.

Keine Kommentare: